9. November: Schatten verzweifelt gesucht
Am nächsten Morgen bringt der "Weckdienst" Tee und Kaffee ans Bett. Wir sind aber schon längst wach, wollen uns möglich wenig von diesem tollen Erlebnis und besonderen Lebensgefühl entgehen lassen. Der Morgen ist mild, das Aufstehen kein Problem, die Gruppe bester Stimmung und das Frühstück lecker. Meine Möglichkeiten sind in dieser Hinsicht allerdings weiterhin sehr eingeschränkt.
Katzenwäsche am Morgen.
Frühstück ist fertig!
Um sieben machen wir uns auf den Weg. "The earlier, the better", meint Sebastiaan. Wir werden den Horseshoe überqueren, was eigentlich eine überschaubare Herausforderung ist. Aber bei dieser Hitze?!?
Am Morgen läuft es sich noch angenehm, wir lesen wieder Spuren im Sand, nah am Berg war in der Nacht ein Leopard unterwegs. Statt durch Sand geht's jetzt über Geröll. Auf dem Bergrücken gibt's eine Pause mit Tee und Snacks.
Ab zehn Uhr ist es richtig heiß, zum Glück geht's jetzt bergab.
Wir durchqueren eine weite Ebene, unsere Gruppe zersplittert ein wenig, wir feuern uns gegenseitig an. Ich erreiche unser Mittagslager, ein großer Baldachin, was so ein bisschen Schatten doch ausmacht. Unter großem Hallo und Beifall kommt einer nach dem anderen ins Ziel, es warten Liegestühle, Kaltgetränke und ein fantastisches Lunchpaket, dem ich nicht widerstehen kann. Die Strafe folgt auf dem Fuß. Mehrfach muss ich den kurzen, aber nun kochend heißen Weg zum Bretterverschlag nebst blitzsauberem WC hinter mich bringen. Das Holz knistert vor Hitze, zeigt verkohlte Stellen und kann sich wahrscheinlich jederzeit selbst entzünden. Ich überlege, ob ich es in meiner aktuellen Lebenssituation wohl rechtzeitig raus schaffen würde.
Wir dehnen die Mittagspause auf vier Stunden aus, es ist zu heiß, um weiterzulaufen. Wir lesen, dösen, kühlen uns leidlich mit wasserdurchtränkten Tüchern, schlafen kann ich auf dem Deckchair nicht - ich fand diese Stühle schon immer unbequem. Ich rutsche unruhig hin und her, mein Stuhl zerbricht, Sebastiaan macht ihn wieder heile.
Um 16 Uhr packen wir zusammen, es geht weiter, wir hangeln uns von Schatten zu Schatten unter den wenigen Bäumen. Wir laufen über Dünen, erahnen in der Ferne die Dächer von Wolwedans, orakeln über die Feenkreise.
Doch wo nur ist unser zweites Camp? Dann endlich, noch eine weitere Düne, und plötzlich ist es da. Mitsamt Agnes, einer Bar und kühlen Getränken. Wir jubeln, feuern die Nachhut an, suchen uns ein Plätzchen im Schatten und sind alle gemeinsam stolz, froh und glücklich.
Nach der ebenso verdienten wie wohltuenden Eimerdusche tischt Agnes wieder mächtig auf.
Hinten im Bretterverschlag die Eimerdusche mit Fernblick - was für ein Segen!
Sebastiaan erzählt uns voller Stolz von seinem Sohn, der in der vergangenen Nacht zur Welt gekommen ist. Wir freuen uns mit ihm, gratulieren herzlich, in zwei Wochen wird er seinen Filius das erste Mal sehen, wenn er heim nach Windhoek fährt. Noch eine Tour nach uns, dann macht Tok Tokkie erst einmal Pause. Es werde zu heiß für den Trail, meint Sebastiaan. Ach was. Darauf wären wir nun echt nicht gekommen.