THEMA: Der Anfang war schon das Ende
03 Okt 2015 13:35 #401305
  • Reinhard
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  • Reinhard am 03 Okt 2015 13:35
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Liebe Leute,
es folgt kein Reisebericht, weil unsere Reise leider praktisch ausgefallen ist. Ich möchte nur alle davor warnen, unsere Fehler zu wiederholen. Wir wollen Namibia jedoch nicht in Misskredit bringen oder unseren Fall verallgemeinern.

Also: wir hatten geplant und gebucht, vom 9.9. bis 3.10. Namibia und Botswana zu bereisen. Wir waren nun zum sechsten Mal in den vergangenen 36 Jahren (tatsächlich), also mit größeren Abständen, in Namibia und zum dritten Mal in Botswana.
Nach Übernahme des Wagens und Einkaufen haben wir am Freitagmorgen, den 11.9., Windhoek über den Sam Nujoma Drive Richtung Osten verlassen. In Klein Windhoek haben wir an der PUMA-Tankstelle getankt und wollten auch den Luftdruck für die lange Asphaltstrecke nach Ghanzi erhöhen lassen. Der Bursche, der das machte, erklärte mir auf Nachfrage, welche der beiden Skalen des Luftdruckprüfers gelte, die Schwarze, und es seien jetzt 200 bar. Da habe ich mir gedacht, weitere Fragen sind zwecklos und das müssen wir bei nächster Gelegenheit selber wiederholen.
Wir fuhren also einige hundert Meter weiter und hielten links in Höhe des Stellenbosch-Restaurants. Kaum war ich ausgestiegen, erschien ein freundlicher Einheimischer, der aus einem mir auffallenden glänzend-schwarzen VW Jetta, vermutlich Modell V, stieg, und mir sagte, der Luftdruck sei zu niedrig. Das habe ich ihm bestätigt und gedankt. Ein zweiter Mann aus dem Wagen kam zu unserem Hilux DC und sah durch die hinteren Türscheiben, bis meine Frau ihn böse ansah. Dann verschwand er. Ich habe das nicht mitbekommen.
Wir fuhren zurück zur Shell-Tankstelle und haben dort den Luftdruck erhöhen lassen, alles sehr korrekt.
Dann sind wir wieder stadtauswärts gefahren, unter der rostigen Eisenbahnbrücke hindurch und einige km weiter. Als wir die Abfahrt zum Vineyard Country B&B passiert hatten, überholte uns der schwarze Jetta, hupend und mit den Armen rudernd. Wir hielten an, der Jetta wendete und hielt auf unserer Höhe, wieder Richtung Windhoek. Spätestens da hätte bei mir der Groschen fallen können, fiel aber nicht. Dennoch war ich skeptisch. Der große freundliche Dicke stieg aus und rief aufgeregt: There’s fire under your car! Ich hatte noch nie Feuer unterm Auto. Andererseits: wenn doch? Ich stieg also aus. Meine Frau blieb sitzen. Der Dicke wollte, dass ich unter’s Auto schaue und war in heller Aufregung. Ich blieb stehen, weil ich weder etwas roch noch sah. Wir standen auf der straßenabgewandten Seite des Wagens, wo er auf mich einredete.
Plötzlich bemerkte meine Frau, wie gerade sehr leise unsere hintere rechte Tür geschlossen wurde, nachdem der andere Kerl unseren Rucksack gegriffen hat, und schrie den ihn an: Mit einem Mal war alles klar.
Wir waren auf diesen dusseligen Trick hereingefallen, obwohl wir ihn kannten!
Alles rannte zum Jetta: der Dicke, der Dieb, meine Frau und ich. Der Dieb setzte sich hinten links hin, mit etwas Gestohlenen, ich wusste zu dem Zeitpunkt nicht was. Ich riss die hintere rechte Tür auf, beugte mich rein und brüllte den Kerl an. Der schrie zum Fahrer: Go - go! Und der fuhr los. Ich hing halb im Auto, halb draußen. Schlagartig wurde mir die Gefährlichkeit der Situation klar. Einen Ausflug mit den Dreien wollte ich nicht machen! Ich ließ mich also aus dem fahrenden Auto fallen, stürzte auf den rechten Ellbogen und rutschte etwas über den Boden. Dann habe ich schemenhaft in Erinnerung: Jetzt fahren sie über meine Beine, denn die waren irgendwie vor das rechte Hinterrad geraten. Ich habe weder ein Bild davon noch Erinnerungen an Schmerzen im Kopf. Ich stand schnell wieder auf - gebrochen war nichts - voll mit Adrenalin, und die Diebe brausten davon Richtung Windhoek. Wut vermischte sich mit Ärger darüber, dass wir den Trick kannten und ich nicht die Türen verriegelt hatte.
Wir schauten nach, was verschwunden war: unser kleiner Rucksack mit wenig Inhalt, allerdings viel Bargeld in Rand und Euro (nie auf einer Reise hat man so viel Bargeld wie zu Beginn), dazu Handy, Fernglas, Haustürschlüssel und mein internationaler Führerschein.
Wir überlegten: jetzt zurück zur Polizei? Wir wollten heute noch im Hellen zum Thakadu Camp bei Ghanzi, etwa 500 km Fahrt. Also fuhren wir weiter Richtung Osten bis Ghanzi.
Am darauffolgenden Sonnabend und Sonntag waren wir auf der Dombo Farm und hatten einen wunderbaren geführten Ausflug zum Boteti. Aber ich musste meine Sandalen so weit stellen, wie es überhaupt ging, damit die Füße hinein passten. An Schuhe war nicht zu denken. Am Montag sind wir zu Okavango Air Rescue nach Maun und Füße und Beine erfuhren dort eine kompetente Untersuchung und Behandlung.
Mehrere tiefe Abschürfungen an den Füßen, die täglich frisch verbunden werden mussten und mit denen ich nicht in den Moremi oder Chobe hätte fahren wollen, erzwangen letztlich den Abbruch der Reise. Am Mittwoch sind wir zurück nach Windhoek gefahren und am Freitagabend zurück nach Frankfurt geflogen. Nach dem Röntgen und einer MRT hier zu Hause stellten sich schwere Weichteilquetschungen mit umfangreichen Blutungen in den Füßen heraus.
Fazit: Zu meinem großen Bedauern ist Misstrauen gegenüber jedermann angesagt. Man fährt besser, wenn man bei jeder Ansprache durch Unbekannte die Möglichkeit eines Raubes unterstellt. Wir waren zu vertrauensselig und haben eben nicht sofort alle Türen verriegelt. Dass dies offenbar notwendig ist, insbesondere in der Ankunftsphase, wenn man sich noch an alles Neue gewöhnen muss, hat meiner langjährigen Erfahrung mit Namibia eine neue dunkle Facette hinzugefügt. Das finde ich sehr schade.
Gruß
Reinhard
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03 Okt 2015 13:53 #401307
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  • Chris58 am 03 Okt 2015 13:53
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Ach, was für ein Pech. Hoffentlich heilt alles gut aus.

Deine Erfahrung hilft anderen Reisenden und uns hoffentlich, ähnliche Situationen rechtzeitig zu erkennen und zu vermeiden.

Wir sind in einer Woche in Namibia unterwegs und hatten auf Reisen ausch schon Situationen, nach denen wir dachten, es hätte auch schlecht ausgehen können.
Aber man will eben nicht sofort das Schlechteste von anderen Menschen annehmen.
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03 Okt 2015 15:28 #401319
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Lieber Reinhard,
zunächst einmal recht herzlichen Dank für die Schilderung eueres wirklich sehr schlimmen und deprimierenden Erlebnisses. Wenn man noch berücksichtigt, wieviel Vorfreude mit so einem Urlaub verbunden ist, wie lange man plant und wie sehr man sich darauf freut, dann ist ein auf diese Art und Weise erzwungener Abbbruch wegen krimineller Machenschaften umso frustrierender.
Wir hoffen sehr, dass es dir zumindest gesundheitlich wieder besser geht und dass die Wunden und Verletzungen gut und vollständig ausheilen !

Für uns sind deine Schilderungen eine absolute Warnung, noch besser aufzupassen und wirklich niemandem zu trauen, so schade das auch ist. Natürlich ist uns nach etlichen Namibia-Urlauben auch bewusst, die Autotüren immer verschlossen zu halten , aber absolute Sicherheit gibt es nicht , vor allem, wenn man liest, mit welcher Dreistigkeit diese Verbrecher vorgehen. Es ist wirklich eine Schande !
Leider, leider hat die Kriminalität in Namibia in den letzten Jahren vor allem gegen Touristen immer mehr zugenommen, sei es durch Überfälle, Einbrüche auf Lodges oder eben Autoaufbrüche wie bei euch.
Wir hoffen nur, jetzt nicht wieder lesen zu müssen, dass euch das "überall hätte passieren können, auch in Deutschland", was ja bei allen kriminellen Machenschaften immer wieder angeführt wird und was wir echt nicht mehr hören können !!!

Nochmals ganz herzlichen Dank für deine Warnung und weiterhin alles, alles Gute !
Werner
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03 Okt 2015 16:17 #401327
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  • engelstrompete am 03 Okt 2015 16:17
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Hallo Reinhard,

diese Geschichte macht mich sehr traurig aber auch nachdenklich.

Es tut mir wahnsinnig Leid was euch da passiert ist.

Wir waren auch schon 7 Mal hintereinander in Namibia unterwegs, ich kann mir nicht vorstellen , das es so schlimm geworden ist, Was haben wir dann doch für ein Glück gehabt.
Leider muss ich es aber so hinnehmen.

Deine Schilderungen sind ja haarstäubend und ich denke , das ihr wahnsinniges Glück gehabt habt.

Vielen Dank, das Du es uns hier mitteilst, weil wir immer wieder gewarnt werden müssen

Liebe Grüße
Cécile :)
"I never knew of a morning in africa when I woke up and was not happy". Ernest Hemingway
Reisebericht:2010 "Nach 4 Anläufen als Selbstfahrer in Namibia"
namibia-forum.ch/for...hrer-in-namibia.html
Reisebericht 2011 Eine neue Erfahrung....
www.namibia-forum.ch...eiseberichte/187663- eine-neue-erfahrung.html[/size]
2007 ,2008 ,2009 2mal ,2010,2011 Namibia Botswana.
2011 Shanghai, 2012 Florida Virgin islands Karibik.
2012 Namibia und KTP
2013 Das erste Mal Südafrika Kruger NP
2014 Kapstadt und Kruger NP
2015 Kruger National Park
2016 kruger National Park
2017 Kruger National Park
[/url]
2 KLICKS auf die "SONNE" und man liest den Reisebericht OHNE Kommentare !!!!!
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03 Okt 2015 16:56 #401334
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  • Toni_1962 am 03 Okt 2015 16:56
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Dieser Trick ist auch in Europa "heimisch".
Vor kurzem einen Bekannten im Urlaub in Kroatien passiert.

Ich wünsche Dir, dass Dir nichts Nachhaltiges passiert ist ...
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03 Okt 2015 17:08 #401335
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  • Champagner am 03 Okt 2015 17:08
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Hallo Reinhard,

auch von mir erst einmal gute Besserung, sowohl für die Psyche als auch für die Beine! Wie schade, dass Euer Urlaub so schnell so schlimm enden musste. Wenigstens hattet Ihr noch eine schöne Fahrt mit Uli....

Ich bin ja auch erst seit Kurzem wieder aus Namibia zurück und ich denke, meine beiden mitreisenden Freundinnen haben mich manchmal für etwas hysterisch gehalten, weil ich immer strikt darauf geachtet habe, dass das beladene Auto nicht alleine gelassen wird und man notfalls auch von innen verriegelt, wenn man alleine drin sitzt, während die anderen einkaufen. Wenn ich nun deine Geschichte lese, kann ich wieder besser damit leben, dass ich so übervorsichtig bin/war.....

Allerdings - und das sei pro Namibia gesprochen - hatten wir nicht einmal eine komische oder gar angsteinflößende Situation - und du kannst mir glauben, ich habe oft misstrauisch das "Terrain" sondiert. Wir hatten Glück - Ihr hattet Pech! Danke, dass du uns das berichtet hast!

Liebe Grüße von Bele
Letzte Änderung: 03 Okt 2015 17:08 von Champagner.
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